Frau räumt auf

Ausmisten

Ordnung in der Seele

Dr. Utz Anhalt

Die Woh­nung ist der Spiegel der Seele. Wenn wir in Häusern eine Atmo­sphäre spüren, hat das nichts Über­natür­lich­es an sich: Auch, wenn ein Men­sch auszieht, bleibt sein „unsicht­bar­er Abdruck“ da. Das gilt eben­so für Ihre eige­nen Besuch­er, für die Dinge, die Gäste hin­ter­lassen und für die Gegen­stände, die Sie selb­st stapeln. Aus­mis­ten entrüm­pelt nicht nur die Woh­nung, son­dern auch die Psy­che.

Räume als Symbole

Die Räume der Woh­nung stellen Aspek­te unseres Lebens dar. Der Keller verkör­pert dabei das Ver­gan­gene und das Unbe­wusste. Bal­last im Keller kann für ungelöste Auf­gaben früher­er Leben­sphasen ste­hen und den Antrieb in der Gegen­wart läh­men. Nicht alle Dinge aus dama­liger Zeit erscheinen indessen sinn­los. Der Ein­gangs­bere­ich repräsen­tiert unsere Ein­ladung an Gäste. Versper­ren Sie diesen mit Alt­pa­pi­er oder großen Schränken, ist das für Besuch erst ein­mal eine Hürde. Das Wohnz­im­mer versinnbildlicht Ihren Selb­staus­druck. Sieht es sehr ver­dreckt aus, dann deutet das darauf hin, dass Sie Ihr Innen­leben nicht „sauber hal­ten“. Wirkt es hinge­gen ster­il, schreck­en Sie damit andere ab und offen­baren einen gestörten Zugang zu Ihrem Kör­p­er. Die Küche sym­bol­isiert Ihren Bauch und Ihre Ver­dau­ung.

Ausmisten fällt schwer

Wer Prob­leme hat auszu­mis­ten, der begin­nt am besten damit, sich diese einzugeste­hen und ihre Ursache zu erforschen. Gaben Sie viel Geld aus für etwas, das sie wed­er mögen noch benutzen? Verbinden Sie Gegen­stände mit Erin­nerun­gen? Gefällt vielle­icht jemand anderes das Ding, das Ihnen nur Platz weg­n­immt?

Erken­nen Sie eigene Glaubenssätze als sinn­los? Dann ver­stoßen Sie gezielt dage­gen. Liegt ein funk­tions­fähiger Trock­en­rasier­er im Bad, während Sie sich nur noch nass rasieren und sagt Ihre „innere Groß­mut­ter“: „Der taugt doch noch etwas“, wer­fen Sie ihn weg. Notieren Sie Ihr Gefühl dabei und ver­suchen Sie es auch bei anderen Gegen­stän­den, bei denen Sie ein ähn­lich „schlecht­es Gewis­sen“ ver­spüren.

Ältere Dinge „auszu­tauschen“, lässt sich trainieren. Kaufen Sie etwas, was sie wirk­lich haben wollen, zum Beispiel neue Sports­chuhe, und schmeißen Sie dafür etwas Altes weg: Die Jeans in Über­größe oder die Plas­tik­lampe, die unter dem Schreibtisch den Raum stiehlt. Auswech­seln kann sog­ar eine Regel wer­den, um nicht zu hort­en. So frischen sich die Bestände auf, ohne zu über­fracht­en.

Erinnerungen

Vieles Alte schmeißen wir nicht weg, weil wir es mit Erin­nerun­gen verbinden. Oft sind diese Dinge pos­i­tiv, aber wir lösen uns auch von Gegen­stän­den nicht, die uns belas­ten:

Stellen Sie als erstes eine Liste mit Sachen auf, die Sie an alte Zeit­en zurück­denken lassen. Schreiben Sie dann dazu, was Sie mit ihnen assozi­ieren. Oft bringt bere­its das Auf­schreiben Klarheit über deren sym­bol­is­che Bedeu­tung. Spe­ich­ern wir diese aber im Gedächt­nis ab, ver­lieren viele dieser Dinge ihren Sinn. Sind sie eine sin­nvolle Stütze oder ein Klotz am Bein?

Falls Gegen­stände Sie an eine Leben­sphase ver­weisen, die Sie eigentlich vergessen woll­ten, selek­tieren sie. Geht es „nur“ darum, diese Zeit nicht aus den Augen zu ver­lieren, kön­nten Sie die wichtig­sten Gegen­stände her­aus­suchen: An die alte WG erin­nert der Schuhkar­ton mit Fotos, die gesam­melten Flug­blät­ter brauchen Sie nicht; um an Ihren bele­se­nen Groß­vater zu denken, reichen die zwei Romane aus, die Sie noch ein­mal lesen wer­den. Oder das Bücher­re­gal mit Titeln, die Sie in- und auswendig ken­nen? Alles Bal­last!

Verschenken

Falls Ihnen Dinge als zu wertvoll erscheinen, um sie in den Müll zu wer­fen, aber bei Ihnen keinen Platz mehr haben, gibt es noch eine dritte Möglichkeit: sie an Men­schen zu ver­schenken, die damit etwas anfan­gen kön­nen.

In vie­len Städten ste­hen heute öffentliche Büch­er­schränke, in die Sie aus­ge­le­sene Büch­er stellen kön­nen, an denen andere Freude haben. Oder Sie geben Ihre alten Büch­er (in gutem Zus­tand) in ein Anti­quar­i­at. Klei­dung, Möbel oder tech­nis­che Geräte geben Sie ein­fach bei Oxfam, Fairkauf und anderen Sozialka­ufhäusern ab.

Symbole statt Speicher

Wenn Sie aus­sortieren, konzen­tri­eren Sie sich auf die wirk­liche Bedeu­tung, die Erin­nerungs-Zeichen für Sie haben: Aus alten Zeitun­gen kön­nen Sie den Artikel her­auss­chnei­den, um den es geht. Nomadis­che Indi­an­er hat­ten einen per­sön­lichen Medi­z­in­beu­tel, den sie an den Gür­tel hängten. Bei Samm­lun­gen mit einem sym­bol­is­chen Wert reicht ein Zeichen/ein Bild aus, um das Andenken wachzuhal­ten.

Andere enttäuschen

Stauen sich bei Ihnen Geschenke, die für Sie keinen Wert besitzen? Haben Sie Angst, andere Men­schen zu ent­täuschen, wenn Sie den nie getra­ge­nen Pullover Ihrer Groß­mut­ter entsor­gen? Wie fühlt es sich an, die Wahrheit zu sagen? „Ich mochte es nicht.“

Angst vor dem Risiko?

Befürcht­en Sie, etwas wegzuschmeißen und es danach zu bereuen? Woher kommt diese Angst? Daher, dass der Gegen­stand doch einen Wert hat, den Sie überse­hen? Brauche ich ihn vielle­icht doch noch mal? Notieren Sie alle Weg­w­erf-Kan­di­dat­en und stellen Sie so ratio­nal wie möglich ihre Vorteile und Nachteile gegenüber. Sie kön­nen zum Beispiel einige Kar­tons aus­sortieren, in den Keller stellen, aber mit dem Weg­w­er­fen noch etwas warten.

Entschei­dun­gen bedeuten immer Risiko. Stellen Sie sich den schlimm­sten Fall vor, wenn Sie ohne diese Dinge daste­hen.

Tipps zum richtigen Ausmisten

Hil­festel­lun­gen erle­ichtern die Arbeit
► Räu­men Sie als erstes den Boden leer. Dann erken­nen Sie bess­er, was Sie über­haupt an Gegen­stän­den besitzen.
► Geben Sie zweit­ens Gegen­stände weg, die Sie nicht benutzen.
► Sor­gen Sie drit­tens dafür, dass jedes Ding seinen Platz hat.
► Über­legen Sie viertens, wo Sie Gegen­stände lagern kön­nen, ohne dass sie Platz weg­nehmen, aber auch nicht „unsicht­bar“ wer­den.
► Räu­men Sie fün­ftens um.
► Fra­gen Sie sech­stens Fre­unde und Ver­wandte um Rat.
► Richt­en Sie sich eine feste Zeit am Tag für das Aufräu­men ein.

Was kann weg?

1. Funk­tion­iert dieses Ding? Kann, will oder werde ich es repari­eren?
2. Ist dieser Gegen­stand noch zeit­gemäß?
3. Bringe ich (!) so etwas in Ord­nung? Für einen Fahrrad-Schrauber mag ein Keller mit fünf alten Rah­men einen Sinn ergeben – für mich, wenn ich selb­st max­i­mal ein Loch flicke, nicht.
4. Brauche ich das noch? Wenn ich etwas in Zukun­ft benötige, wäre es nicht bess­er, es dann zu erwer­ben?
5. Mag ich dieses Teil? In die Woh­nung als unseren Intim­bere­ich gehören keine Gegen­stände, mit denen wir uns nicht wohlfühlen.
6. Die Kern­frage lautet: Würde ich diesen Gegen­stand ver­mis­sen?

Warum hängen wir an Überflüssigem?

Wenn wir klären, was weg kann, lösen wir auch innere Kon­flik­te
1. Fehlkäufe. Wir kaufen Sachen, die wir wed­er mögen noch benutzen. Diese Dinge wegzugeben, bedeutet, einen Fehler einzugeste­hen. Das fällt schw­er, führt aber zu inner­er Reife.
2. Wir investierten vor Jahren in etwas und empfind­en es heute als Ver­lust, uns davon zu tren­nen. In Wirk­lichkeit ver­loren wir das Geld bere­its, als wir uns dieses Teil kauften, ohne es zu benutzen.
3. Mit diesem Gegen­stand fühlen Sie sich bess­er? Wirk­lich? Bal­last sind Sta­tussym­bole, mit denen wir uns selb­st aufw­erten. Wenn wir so etwas nötig haben, dann deutet das auf ein psy­chis­ches Prob­lem. Das soll­ten wir ange­hen.

Ausmisten: Eine Checkliste

Bei vie­len Din­gen kön­nen Sie sich­er sein, sie auch in Zukun­ft nicht zu brauchen:
1. Kaputte, zu kleine oder zu große, nicht zu Ihnen passende oder nur für einen speziellen Zweck angeschaffte Klei­dung, wie beispiel­sweise die Fußballschuhe aus Ihrer längst ver­gan­genen Zeit im Vere­in.
2. Küchengeräte, die Sie nie gebrauchen, kön­nen weg. Als Faus­tregel dient: Was Sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr nutzen, wer­den Sie auch im näch­sten Jahr nicht ver­wen­den. Unpassendes Geschirr k
önnen Sie aus­sortieren.
3. An Schuhen soll­ten Sie im All­t­ag cir­ca 3 bis 4 Paare für ver­schiedene Gele­gen­heit­en parat ste­hen haben. Die anderen lagern Sie am besten in einem beson­deren Schuhkas­ten. Sind die Schuhe aus­ge­latscht? Weg damit.
4. Räu­men Sie regelmäßig Ihre Papier­berge weg. Ord­ner kön­nen Sie in einem Abstell­raum sam­meln und am Jahre­sende entschei­den, ob Sie die Doku­mente noch brauchen. Für schwebende Pro­jek­te leg­en Sie eben­falls einen extra Ord­ner an.
5. Eine To-Do-Liste bewahren Sie an einem geson­derten Platz. Stre­ichen Sie jeden erledigten Punkt durch.
6. Nehmen Sie keine Wer­bung an und/oder wer­fen Sie entsprechende Prospek­te direkt in den Müll.

Mentale Vorbereitung

Stellen Sie sich vor, Sie ziehen in die USA und dür­fen nur 20 Kilo Gepäck mit­nehmen. Was wäre das? Welche Dinge wollen, welche müssen Sie ständig um sich haben? Von dieser Grundliste kön­nen Sie aus­ge­hen, darum einen zweit­en Kreis ziehen mit Gegen­stän­den, die Ihnen nicht ganz so wichtig erscheinen, dann einen drit­ten mit unwichtigeren etc. Schnell kom­men Sie dann in die „out­er areas“. Was da drin ist, kann weg.

Ausmisten-Plan

Haben Sie sich entsch­ieden, auszu­mis­ten? Dann entwick­eln Sie einen Plan.
1. Fan­gen Sie mit ein­er Ecke, einem Zim­mer oder sog­ar nur einem Tisch an.
2. Sortieren Sie beim Aufräu­men in Dinge, die weg sollen, und solche, die Sie behal­ten wollen.
3. Bere­it­en Sie sich vor, indem Sie passende Mülltüten bere­itle­gen.
4. Haben Sie eine Ecke „geschafft“, lehnen Sie sich erst ein­mal zurück und reflek­tieren Sie, wie der „leere Raum“ auf Sie wirkt.
5. Schaf­fen Sie sich solche leeren Räume. Lassen Sie zum Beispiel ein Fach Ihres Schreibtis­ches immer leer.
6. Körbe, Schachteln und Kisten struk­turi­eren das Zim­mer und Sie wis­sen zumin­d­est grob, was sich darin befind­et.
7. Entsor­gen Sie Möbel, die Sie wenig nutzen, statt sich immer geräu­migere Schränke für Ihre Samm­lun­gen anzuschaf­fen.

Was Sie vermeiden sollten

  1. Hort­en Sie über­flüs­sige Gegen­stände nicht in Schubladen. Damit ver­lagern Sie nur das Prob­lem.
  2. Sin­nieren Sie nicht lange über jeden Gegen­stand nach. Es fällt Ihnen dann immer schw­er­er, sich zu tren­nen.
  3. Stre­ichen Sie die Wörter „irgend­wie, irgend­wo, irgend­wann …“ und „vielle­icht…“. Gehen Sie stattdessen nach einem fes­ten Zeit­plan vor: Fre­itag der Garten, Sam­stag das Arbeit­sz­im­mer…
  4. Machen Sie vor dem Aus­mis­ten Nägel mit Köpfen. Klären Sie einen Ter­min mit dem Sper­rmüll, sagen Sie dem Anti­quar­i­at, wann Sie mit Ihrer Büch­er­samm­lung vor­beikom­men.

Warum ist Entrümpeln wichtig?

  1. Entrüm­peln bedeutet Überblick. Je über­sichtlich­er Ihre vier Wände sind, desto mehr Zeit haben Sie für die Beschäf­ti­gun­gen, die Ihnen wichtig erscheinen.
  2. Beim Entrüm­peln find­en Sie Wichtiges wieder.
  3. Mit Gegen­stän­den schaf­fen wir uns immer auch ein sym­bol­is­ches Koor­di­naten­sys­tem, um uns zu ori­en­tieren. Wenn wir dieses verän­dern, stellen wir die Weichen für neue Gedanken.
  4. Dinge binden uns. Jede Helden­reise in der Mytholo­gie begin­nt damit, dass sich der Hero mit (so gut wie) nichts auf den Weg macht. Die Erin­nerun­gen bleiben sowieso im Kopf, ohne die Gegen­stände, die sie fokussieren, lässt sich jedoch ein­fach­er die Per­spek­tive wech­seln.

Unordnung gleich kreatives Chaos?

Schöpferische Men­schen set­zen mehr um: Wer sich Inspi­ra­tio­nen aus zehn Büch­ern holt, bei dem liegt mehr herum als bei jemand, der zu Hause die Wand anstar­rt. Deswe­gen sind aber ger­ade die Kreativ­en gut berat­en, zu ord­nen: Wenn Sie also einen Text oder eine Skulp­tur fer­tiggestellt haben, genießen Sie den Moment und entsor­gen Sie alle Mate­ri­alien, die Sie jet­zt nicht mehr brauchen.

Lagern Sie Werkzeuge an einem speziellen Platz und brin­gen Sie diese dor­thin zurück.

Vorbeugung

Sor­gen Sie dafür, dass Sie den Überblick behal­ten. Sie kön­nen sich Regeln auf­stellen, wie: Für jedes Buch, das ich neu kaufe, gebe ich ein altes weg. Räu­men Sie täglich die Sachen von Ihrem Schreibtisch. Brin­gen Sie Sper­rmüll zum Wert­stoffhof, bevor er sich ansam­melt.

Sagen Sie deut­lich, welche Art von Geschenken Sie nicht brauchen. Genießen Sie das Entsor­gen von „Kleinigkeit­en“ als täglich­es Rit­u­al. Atmen Sie jeden Abend tief durch, wenn Sie wieder eine Last los­ge­wor­den sind.

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Über den Autor:

Dr. Utz Anhalt

Dr. Utz Anhalt:
1991 Geschichte und Poli­tik Schw­er­punkt his­torische Anthro­polo­gie von Men­sch und Wildti­er.
1999 Mag­is­ter über den Wer­wolfmythos.
2007 Dok­tor der Philoso­phie über die Geschichte der Zoos.
Dozent, Pub­lizist und Autor unter anderem für Muse­um aktuell, Expo­time, Nau­tilus – Mag­a­zin für Aben­teuer und Phan­tastik, Miroque, Kar­funkel, Zil­lo Medieval, Der Fall, Sitz-Platz-Fuß, Sopos (www.sopos.org), Junge Welt, Fre­itag, TAZ, ND, Frank­furter All­ge­meine. Redak­teur bei Heilpraxisnet.de.

Kon­takt: www.utzanhalt.de

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