Epigenetik

Epigenetik

Du ent­schei­dest, wie Du Dei­ne Kar­ten aus­spielst

Mis­zek Damer

Vor­ab: Wir sind Spon­sor sei­ner Pod­cast-Fol­ge #17. Hört doch mal rein:

Die Epi­ge­ne­tik lehrt uns, dass Dein Lebens­stil dar­über ent­schei­det,  ob bestimm­te Gene an- oder aus­ge­schal­tet wer­den. Es wird Zeit, dass Du die Kon­trol­le erlangst! Du teilst 99,5 % Dei­ner DNA mit der Per­son, die neben Dir sitzt. Tat­säch­lich teilst Du 97,5 % Dei­ner DNA mit Mäu­sen. Und, ob Du es glaubst oder nicht: 50 % der Bana­nen-DNA ist mit Dei­ner iden­tisch! Was macht Dich also so beson­ders? Es ist die Epi­ge­ne­tik!

Die aus­ge­spiel­ten Kar­ten

Stel­le Dir Dei­ne DNA wie die Kar­ten vor, die Dir vom Crou­pier zuge­spielt wer­den. Du kannst ihn noch so char­mant anlä­cheln, Du wirst aber nicht wirk­lich beein­flus­sen kön­nen, wie Dein Kar­ten­deck am Ende aus­sieht. Es wäre aller­dings fatal anzu­neh­men, dass Du das Spiel (des Lebens) bereits ver­lo­ren hast, nur weil dein Kar­ten­deck nicht vol­ler Asse ist. Du ent­schei­dest, wie Du Dei­ne Kar­ten aus­spielst;  und es kommt sogar noch bes­ser: Die Epi­ge­ne­tik erlaubt es Dir sogar, die Spiel­re­geln zu ändern!

Der Glau­be, dass das Genom, das Du von Dei­ner Mut­ter und dei­nem Vater erbst, in Dir treu ver­ewigt wird, ohne Chan­cen auf Ver­än­de­rung und Anpas­sung, ent­spricht nicht mehr dem aktu­el­len Kennt­nis­stand. Nicht die DNA beein­flusst Dein Schick­sal, son­dern die Epi­ge­ne­tik.

Exkurs in den Bio-Unter­richt

Bevor es hier etwas zu wis­sen­schaft­lich wird, lass uns einen klei­nen Schritt zurück­tre­ten, bzw. in den Klas­sen­raum zurück­kom­men und die Grund­la­gen der Bio­che­mie und Gene­tik klä­ren:

► Zel­len sind grund­le­gen­de Arbeits­ein­hei­ten eines jeden Men­schen. Alle Anwei­sun­gen, die zur Steue­rung ihrer Akti­vi­tä­ten erfor­der­lich sind, sind in der che­mi­schen Des­oxy­ri­bo­nu­kle­in­säu­re, auch DNA genannt, ent­hal­ten.

► Die DNA des Men­schen besteht aus etwa 3 Mil­li­ar­den Nukleo­tid­ba­sen. Es gibt vier grund­le­gen­de Arten von Basen, die die DNA bil­den – Ade­nin, Cyto­sin, Gua­nin und Thy­min, die all­ge­mein als A, C, G und T abge­kürzt wer­den.

► Die Rei­hen­fol­ge der Basen bestimmt unse­re Lebens­an­wei­sun­gen. Inter­es­san­ter­wei­se ähnelt unse­re DNA-Sequenz meist der eines Schim­pan­sen. Nur ein Bruch­teil der deut­lich unter­schied­li­chen Sequen­zen macht uns zum Men­schen.

► Inner­halb der 3 Mil­li­ar­den Basen befin­den sich etwa 20.000 Gene. Gene sind spe­zi­fi­sche Sequen­zen von Basen, die Anwei­sun­gen zur Her­stel­lung wich­ti­ger Pro­te­ine lie­fern – kom­ple­xe Mole­kü­le, die ver­schie­de­ne bio­lo­gi­sche Aktio­nen zur Aus­füh­rung von Lebens­funk­tio­nen aus­lö­sen.
Mit ande­ren Wor­ten: Die DNA gibt die Anwei­sun­gen für ver­schie­de­ne funk­tio­nel­le Pro­te­ine, die inner­halb der Zel­le her­ge­stellt wer­den sol­len – die­ser Pro­zess wird auch als zen­tra­les Dog­ma der Mole­ku­lar­bio­lo­gie bezeich­net.

Epi­ge­ne­tik heu­te

Da Du nun die Grund­la­gen der Gene­tik ver­stehst, lass uns zur heu­ti­gen Epi­ge­ne­tik zurück­keh­ren. Die Epi­ge­ne­tik beein­flusst, wie die Gene von den Zel­len abge­le­sen wer­den, und in der Fol­ge, ob die Zel­len rele­van­te Pro­te­ine pro­du­zie­ren sol­len. Zum Bei­spiel ist das COL1A1-Gen in der DNA in allen Arten von Zel­len vor­han­den, wird aber in Haut­zel­len „expri­miert“, um Kol­la­gen­pro­te­ine vom Typ 1 zu pro­du­zie­ren. Hier sind eini­ge wich­ti­ge Punk­te zur Epi­ge­ne­tik:

► Die Epi­ge­ne­tik kon­trol­liert die Gene. Dies wird erreicht durch (a) die Natur: Die Epi­ge­ne­tik bestimmt die Spe­zia­li­sie­rung einer Zel­le (z.B. Haut‑, Blut‑, Haar- und Leber­zel­len usw.), wenn sich ein Fötus durch Gen­ex­pres­si­on (aktiv) oder Stil­le­gung (ruhend) zu einem Baby ent­wi­ckelt; und (b) die Erzie­hung: Umwelt­rei­ze kön­nen auch dazu füh­ren, dass Gene abge­schal­tet oder ein­ge­schal­tet wer­den.

► Die Epi­ge­ne­tik ist über­all. Was Du isst, wo Du lebst, mit wem Du inter­agierst, wann Du schläfst, wie Du Dich bewegst und sogar alterst – all dies kann schließ­lich che­mi­sche Ver­än­de­run­gen um die Gene her­um ver­ur­sa­chen, die die­se Gene im Lau­fe der Zeit an- oder abschal­ten. Außer­dem wer­den bei bestimm­ten Krank­hei­ten wie Krebs oder Alz­hei­mer ver­schie­de­ne Gene in den ent­ge­gen­ge­setz­ten Zustand geschal­tet, weg vom normalen/gesunden Sys­tem.

► Die Epi­ge­ne­tik macht dich ein­zig­ar­tig. Auch wenn wir alle Men­schen sind, war­um haben eini­ge von uns blon­de Haa­re oder dunk­le­re Haut? War­um has­sen eini­ge von uns den Geschmack von Pil­zen oder Auber­gi­nen? War­um sind eini­ge von uns gesel­li­ger als ande­re? Die ver­schie­de­nen Kom­bi­na­tio­nen von Genen, die an- oder aus­ge­schal­tet sind, machen jeden von uns ein­zig­ar­tig. Dar­über hin­aus gibt es Hin­wei­se dar­auf, dass eini­ge epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen ver­erbt wer­den kön­nen.

► Die Epi­ge­ne­tik ist rever­si­bel. Was wird bei mehr als 20.000 Genen das Ergeb­nis der ver­schie­de­nen Gen­kom­bi­na­tio­nen sein, die an- oder abge­schal­tet wer­den? Die mög­li­chen Anord­nun­gen sind enorm! Aber wenn wir jede ein­zel­ne Ursa­che und Wir­kung der ver­schie­de­nen Kom­bi­na­tio­nen kar­to­gra­fie­ren könn­ten und wenn wir den Zustand des Gens umkeh­ren könn­ten, um das Gute zu erhal­ten und das Schlech­te zu eli­mi­nie­ren, dann könn­ten wir hypo­the­tisch Krebs hei­len, den Alte­rungs­pro­zess ver­lang­sa­men, Fett­lei­big­keit stop­pen und so viel mehr.

Ein gene­ti­scher Licht­schal­ter

Zusam­men­fas­send umfasst die Epi­ge­ne­tik jeden Pro­zess, der die Gen­ak­ti­vi­tät ver­än­dert, ohne die DNA-Sequenz zu ver­än­dern.

Dies beinhal­tet somit jeden Aspekt und jede Ent­schei­dung, die Dei­nen indi­vi­du­el­len Lebens­stil aus­ma­chen: Bewe­gung, Ernäh­rung, Schlaf, Rege­ne­ra­ti­on, Stress­ma­nage­ment, Pfle­ge, Denk­mus­ter, sozia­les Umfeld, Bezie­hun­gen und selbst die Luft, die Du ein­at­mest.

Dar­über hin­aus sind epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen der DNA ver­erb­bar und kön­nen an die Nach­kom­men wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Die­se klei­ne Tat­sa­che macht die Epi­ge­ne­tik ent­schei­dend für den lan­gen, win­di­gen Weg, der uns hier­her gebracht hat, der auch als Evo­lu­ti­on bezeich­net wird.

Es wird der­zeit davon aus­ge­gan­gen, dass min­des­tens drei Sys­te­me, dar­un­ter die DNA-Methy­lie­rung, die His­ton­mo­di­fi­ka­ti­on und die nicht-kodie­ren­de RNA (ncRNA)-assoziierte Gen­ab­schal­tung, epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen initi­ie­ren und auf­recht­erhal­ten, d.h. Berei­che der DNA wer­den „mar­kiert“, sodass betrof­fe­ne Gene ent­we­der aktiv wer­den oder still bleiben.[2] Die­se Mar­kie­run­gen sind sowohl natür­lich als auch lebens­not­wen­dig, aber sie kön­nen auch schief gehen und zu nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen auf Ver­hal­ten und Gesund­heit füh­ren, wie z.B. Krebs, Auto­im­mu­ni­tät, Schi­zo­phre­nie und Autis­mus.

Mit dem Wachs­tum folgt die Erkennt­nis

Das Gebiet der Epi­ge­ne­tik wächst schnell und mit ihm das Ver­ständ­nis, dass sowohl die Umwelt als auch der indi­vi­du­el­le Lebens­stil direkt mit dem Genom inter­agie­ren kön­nen, um epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen zu beein­flus­sen. Die­se Ver­än­de­run­gen kön­nen sich in ver­schie­de­nen Pha­sen des Lebens eines Men­schen und sogar in spä­te­ren Gene­ra­tio­nen wider­spie­geln. Bei­spiels­wei­se haben huma­n­epi­de­mio­lo­gi­sche Stu­di­en den Nach­weis erbracht, dass prä­na­ta­le und frü­he post­na­ta­le Umwelt­fak­to­ren das Risi­ko von Erwach­se­nen, ver­schie­de­ne chro­ni­sche Krank­hei­ten und Ver­hal­tens­stö­run­gen zu ent­wi­ckeln, beein­flus­sen. [3] Stu­di­en haben gezeigt, dass Kin­der, die wäh­rend der nie­der­län­di­schen Hun­gers­not von 1944–1945 gebo­ren wur­den, im Ver­gleich zu Kin­dern, die kei­ner Hun­gers­not aus­ge­setzt waren, höhe­re Raten von koro­na­rer Herz­krank­heit und Fett­lei­big­keit auf­wei­sen (nach­dem die Mut­ter wäh­rend der frü­hen Schwan­ger­schaft einer Hun­gers­not aus­ge­setzt war). [4]

Obwohl unse­re epi­ge­ne­ti­schen Zei­chen im Erwach­se­nen­al­ter sta­bi­ler sind, gel­ten sie immer noch als dyna­misch und durch die Wahl des Lebens­stils und den Ein­fluss der Umwelt ver­än­der­bar.

Es wird immer offen­sicht­li­cher, dass epi­ge­ne­ti­sche Effek­te nicht nur im Mut­ter­leib, son­dern über die gesam­te Lebens­span­ne des Men­schen auf­tre­ten und dass epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen rück­gän­gig gemacht wer­den könn­ten.

Die Umwelt wird als star­ker Ein­fluss auf die epi­ge­ne­ti­schen Tags und die Krank­heits­an­fäl­lig­keit unter­sucht. Die Umwelt­ver­schmut­zung hat sich zu einem bedeu­ten­den Schwer­punkt in die­sem For­schungs­be­reich ent­wi­ckelt, da Wis­sen­schaft­ler her­aus­fan­den, dass die Luft­ver­schmut­zung die Methyl-Tags auf der
DNA ver­än­dern und das Risi­ko für neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen erhö­hen könn­te. [5] Inter­es­san­ter­wei­se kön­nen B‑Vitamine vor schäd­li­chen epi­ge­ne­ti­schen Aus­wir­kun­gen der Umwelt­ver­schmut­zung schüt­zen und die schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen, die bestimm­te Stof­fe auf den Kör­per haben, bekämp­fen. [6]

Epi­ge­ne­tik von Lebens­mit­teln

For­scher haben her­aus­ge­fun­den, dass eine keto­ge­ne Ernäh­rung – bei der hohe Men­gen an Fett, aus­rei­chend Eiweiß und wenig Koh­len­hy­dra­te ver­zehrt wer­den – einen vom Kör­per natür­lich pro­du­zier­ten epi­ge­ne­ti­schen Wirk­stoff erhöht. Es hat sich auch gezeigt, dass die Ernäh­rung die epi­ge­ne­ti­schen Tags auf signi­fi­kan­te Wei­se ver­än­dert.

Die Nut­ri­epi­ge­no­mik erforscht, wie Lebens­mit­tel und Epi­ge­ne­tik zusam­men­wir­ken, um Gesund­heit und Wohl­be­fin­den zu beein­flus­sen. Eine Stu­die ergab bei­spiels­wei­se, dass eine fett­rei­che, koh­len­hy­drat­ar­me Ernäh­rung über HDAC-Hem­mer das Chro­ma­tin öff­nen und die geis­ti­gen Fähig­kei­ten ver­bes­sern könn­te. [7] Ande­re Stu­di­en haben fest­ge­stellt, dass bestimm­te Ver­bin­dun­gen in den von uns ver­zehr­ten Lebens­mit­teln den Krebs wie­der schüt­zen könn­ten, indem sie die Methyl­mar­kie­run­gen auf den Onko­ge­nen oder Tumor­sup­pres­sor­ge­nen anpas­sen.

Letzt­lich kann eine epi­ge­ne­ti­sche Ernäh­rung die Men­schen zu einer opti­ma­len Ver­sor­gung füh­ren. Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en decken die zugrun­de lie­gen­den Mecha­nis­men und die Aus­wir­kun­gen ver­schie­de­ner Nah­rungs­mit­tel auf das Epi­ge­nom und die Gesund­heit immer wei­ter auf.

Fazit

Der Crou­pier mag es nicht gut mit Dir gemeint haben. Und wenn schon! Ver­zeh­re natür­li­che Lebens­mit­tel von hoher Qua­li­tät, bewe­ge Dich viel und am bes­ten an der fri­schen Luft, umge­be Dich mit einem ener­ge­ti­sie­ren­den Umfeld, lache viel und schla­fe fest – die Epi­ge­ne­tik regelt den Rest!

Mehr zum The­ma

[1]: Wad­ding­ton C.H. “The epi­ge­no­ty­pe”. Endea­vour 1: 18–20 (1942).
[2]: Egger G. et al. Epi­ge­ne­tics in human dise­a­se and pro­s­pects for epi­ge­ne­tic the­ra­py. Natu­re 429, 457–463 (2004).
[3]: Jirt­le R.L. and Skin­ner M.K. Envi­ron­men­tal epi­ge­no­mics and dise­a­se sus­cep­ti­bi­li­ty. Natu­re Reviews Gene­tics 8, 253–262 (2007).
[4]: Heij­mans B. T., Tobi E. L., Stein A. D., Put­ter H., Blauw G. J., Sus­ser E.S., Slag­boom P. E., and Lumeye L.H. Per­sis­tent epi­ge­ne­tic dif­fe­ren­ces asso­cia­ted with pre­na­tal expo­sure to fami­ne in humans. Proc Natl Acad Sci USA 105 (44): 17046–17049 (2008).
[5]: https://www.whatisepigenetics.com/air-pollution-found-to-alter-important-epi­ge­ne­tic-mar­k/
[6]: https://www.whatisepigenetics.com/b‑vitamins-protect-harmful-epi­ge­ne­tic-effects-air-pol­lu­ti­on/
[7]: https://www.whatisepigenetics.com/high-fat-low-carb-diet-might-epi­ge­ne­ti­cal­ly-open-up-dna-and-impro­ve-men­tal-abili­ty/

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Bücher des Autors:

Der Gesundheitskompass

Über den Autor:

Miszek Damer

In sei­ner Zeit als Per­so­nal Coach hat Mis­zek Damer ver­mut­lich alle Ziel­grup­pen gecoacht und somit nicht nur sei­ne Exper­ti­se als Strength & Con­di­tio­ning Coach und Öko­tropho­lo­ge auf­ge­baut, son­dern vor allem den sozia­len Umgang mit unter­schied­li­chen Per­so­nen­grup­pen aus­ge­baut: Män­ner, Frau­en, Kin­der, Senio­ren, Haus­frau­en und ‑män­ner, Unter­neh­mer und Mana­ger, Sol­da­ten und Pro­fi­sport­ler aus dem Bas­ket­ball, Fuß­ball, bis hin zum Biath­lon, Cross­fit und Vol­ley­ball. Als Mit-Gesell­schaf­ter einer Nah­rungs­er­gän­zungs­fir­ma, Grün­der eines Food-Unter­neh­mens und in sei­ner bera­ten­den Funk­ti­on als holis­ti­scher Gesund­heits­coach für Unter­neh­men hat sich Mis­zek breit auf­ge­stellt, um ein gesün­de­res Deutsch­land zu erschaf­fen.

Kon­takt: miszek@thebluzone.de
https://thebluzone.de/

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