Mit wem streite ich hier eigentlich?

#kommunikation #schwierigegespräche #konflikte #konfliktgespräche #kommunikationstipps

Fünf Kommunikationstipps für Konfliktgespräche

„Nie kämpft er um mich!“ oder „Ich bin ihr überhaupt nicht wichtig!“ Solche Gedanken huschen schnell mal in unseren Kopf und machen es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Es ist einfach, in Konflikten die Verantwortung abzustreifen, sich selbst als „gut“ und die andere Person als „böse“ hinzustellen.

Es geht mir nicht darum, dass nun Sie allein die volle Verantwortung für jeden Konflikt auf sich nehmen. In diesem Artikel möchte ich Sie vielmehr einladen, einen Schritt aus diesem Schwarz-Weiß-Denken zurückzutreten und alternative Lösungswege für Konfliktgespräche auszuprobieren.

Eigenverantwortung als Basis für Konfliktgespräche

Ich habe mich selbst lange als Opfer gesehen und mich gefragt, warum manche Menschen nicht um mich kämpfen. Irgendwann habe ich verstanden, dass vielmehr ICH nicht um mich gekämpft habe. Ich habe mir etwas im Außen gewünscht, das ich nicht bereit war, für mich selbst zu tun. Anstatt jemandem vorzuwerfen, dass ER oder SIE zu wenig an mich denkt, kann ich nun überlegen, was ich wirklich möchte – und mich fragen, warum ich es mir nicht gönne.

Manche Menschen verfügen seit ihrer Kindheit über ein geringes Selbstwertgefühl. Ich kenne das auch: Aufgrund eines Traumas in der Kindheit lauteten meine Glaubenssätze: „Ich habe keine Daseinsberechtigung“ und „Ich muss mich anpassen, damit man mich liebt.“

Deshalb habe ich kaum eigene Wünsche geäußert und mich angepasst, damit andere glücklich sind. Insgeheim wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass jemand diese Ungerechtigkeit erkennt und auch um meine Wünsche kämpft.

Wenn ich dann irgendwann einmal den Mund aufgemacht habe, purzelten hauptsächlich Vorwürfe heraus. Doch ist das fair? Die Frage ist doch: Wieso habe ich mich nicht für mich starkgemacht und meine Wünsche ausgesprochen, bevor die Wut so groß wurde?

Fünf hilfreiche Kommunikationstipps für Konflikte

Wenn ich mich heute über etwas aufrege, schlüpfe ich so schnell wie möglich in eine Detektivrolle. Ich frage mich, warum ich mich aufrege. Wenn ich meine Antworten gefunden habe, spreche ich sie in einer ruhigen Minute an.

Dafür nutze ich folgende Schritte:

  1. Ich überlege mir genau, was ich möchte. Will ich mit diesem Menschen überhaupt noch Kontakt haben? Wenn ja, auf welche Art und Weise? Das mag sich hart anhören, doch gleichzeitig bringen diese Fragen viel Klarheit. Solange ich nicht weiß, was mein Ziel in diesem Konfliktgespräch ist, halte ich meinen Mund.
  2. Wenn ich weiterhin Kontakt haben möchte, denke ich an schöne gemeinsame Erinnerungen und daran, wie wichtig mir dieser Mensch ist. Unsere Gedanken wirken sich auf Mimik, Körpersprache, Stimme und Wortwahl aus.
  3. Ich spreche die Situation an – mit Worten, die es meinem Gegenüber leicht machen, offen zu sein. Dabei übernehme ich einen Großteil der Verantwortung. Ich gebe zu, dass ich in der Vergangenheit nicht genug auf meine eigenen Bedürfnisse geachtet habe – und dass dies meine Verantwortung ist.
  4. Dann mache ich einen U-Turn mit „und gleichzeitig“. Viele sagen gern: „Ich verstehe dich ja, aber …“. Doch oft wird das „aber“ schon so betont, dass es förmlich riechbar ist – und damit die wertschätzenden Worte verpuffen. Mit „und gleichzeitig“ stelle ich klar, dass meine Sicht auf die Situation ebenso gültig ist wie die meines Gegenübers. So erreiche ich Augenhöhe – das Fundament eines Konfliktgesprächs.
  5. Nun äußere ich einen Wunsch. Solange Gesprächspartner kriegerisch für die eine Wahrheit kämpfen, stellen sie Forderungen. Doch ein Wunsch ist zielführender als eine Forderung. Mit einem Wunsch schwenke ich die weiße Flagge.

Sehen wir uns diese Tipps nun in konkreten Situationen an.

Kommunikationstipps – Fallbeispiel Urlaubsplanung

Ihr Mann möchte einen Luxusurlaub am Meer buchen, doch Sie würden lieber mit ihm durch Deutschland wandern.

  1. Überlegen Sie genau: Was wollen Sie? Die Ehe beenden? Getrennt Urlaub machen? Oder sich abwechseln – ein Jahr Strandurlaub, ein Jahr Wanderurlaub?
  2. Falls Sie sich dazu entschieden haben, weiterhin verheiratet zu bleiben und sich freuen würden, zumindest alle zwei Jahre einen Abenteuerurlaub zu bekommen, dann erinnern Sie sich vor dem Gespräch an gemeinsame schöne Momente.
  3. „Ich weiß, dass ich bisher nie deutlich gesagt habe, dass mich ein Strandurlaub langweilt. Ich habe es nur dir zuliebe gemacht, weil du so viel Freude daran hast. Es ist kein Vorwurf – du konntest meine Gedanken ja schlecht erraten.“
  4. und 5. „Gleichzeitig wünsche ich mir in diesem Jahr eine Wanderung durch Deutschland. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das gemeinsam erleben.“

Falls Ihr Mann nun mit Vorwürfen reagiert, weil Sie nie angesprochen haben, dass Sie den Strandurlaub nicht mögen, können Sie sagen: „Stimmt. Es wäre gut gewesen, wenn ich es früher angesprochen hätte.“

Falls er Ihnen dann entgegnet, dass er keine Lust auf Wandern hat, akzeptieren Sie seine Wahrheit und sagen: „Das kann ich gut verstehen. Ich finde es auch toll, dass du genau weißt und aussprichst, was du willst – das habe ich bisher leider nicht getan.“

Danach können Sie Ihren Wunsch noch einmal wiederholen:
„Wie wäre es, wenn wir abwechselnd unsere Urlaube planen? Ich komme mit an den Strand, und du begleitest mich beim Wandern. Darüber würde ich mich sehr freuen.“

Kommunikationstipps – Fallbeispiel: Tochter mit veganer Ernährung

Ihre Tochter möchte die Familie von der veganen Ernährung überzeugen.

  1. Was erhoffen Sie sich vom Gespräch? Vielleicht, dass Ihre Tochter die Essgewohnheiten der anderen Familienmitglieder respektiert.
  2. Konzentrieren Sie sich darauf, wie toll es ist, dass sich Ihre Tochter so für die Umwelt und das Tierwohl einsetzt.
  3. „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich sehr schwer ist, dass wir noch Fleisch essen. Da du dich gegen Tierprodukte entschieden hast, ist es wahrscheinlich kaum zu ertragen. Das kann ich gut nachvollziehen.“
  4. und 5. „Gleichzeitig sind wir noch nicht so weit, unsere Essgewohnheiten komplett umzustellen. Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir unsere gemeinsamen Abendessen für dich erträglicher gestalten können. Ich wünsche mir nämlich sehr, dass wir weiterhin zusammen an einem Tisch sitzen und essen.“

Versuchen Sie, auf Widerstand nicht emotional zu reagieren. Den „Angriffen“ nehmen Sie am ehesten den Wind aus den Segeln, wenn Sie inhaltlich zustimmen, anstatt mit der eigenen Wahrheit dagegenzuhalten. Falls Ihre Tochter sagt: „Ihr ermordet harmlose Tiere“, könnten Sie antworten: „Ja, durch mein Essverhalten werden Tiere getötet. Du hast recht.“

Verwenden Sie das Zauberwort „noch“: „Noch sind wir nicht so weit, auf Fleisch zu verzichten.“ Damit zeigen Sie, dass Sie das Thema ernst nehmen. Vielleicht werden Sie nie bereit sein – doch oft kehrt durch dieses „noch“ Frieden ein.

Fazit: Das Gesicht des Gegenübers wahren

Meine Gesprächstechniken zielen darauf ab, mein Gegenüber verbal am Leben zu lassen. Oft vernichten wir andere Menschen, nur weil wir nicht bereit sind, mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen. In vielen Kommunikationsbüchern steht, dass wir alle unterschiedlich sind und genau aus diesem Grund Konfliktgespräche so herausfordernd sind.

Therapeuten sprechen davon, dass jeder ein anderes Bewertungssystem hat, beim neurolinguistischen Programmieren wird von unterschiedlichen Landkarten gesprochen, wieder andere Kommunikationsmodelle sprechen von unterschiedlichen Brillen, durch die wir sehen, und so weiter.

Trotzdem neigen wir oft dazu, für einen Konflikt die andere Person verantwortlich zu machen und die andere Wahrheit nicht ernst zu nehmen. Lassen Sie uns aufhören, gegen Wände zu rennen. Lassen Sie uns stattdessen die Eingangstür finden.

healthstyle


Über die Autorin Isabel García:

Trainerin, Rednerin und Autorin
Schwerpunktthemen:
• Schwierige Gespräche
• Kommunikation
• Rhetorik

Kontakt:
https://ichrede.de/
fragen@ichrede.de

Weitere Literaturtipps* zum Thema:

Beitragsbild: © Vera Arsic - pexels.com

* Sofern es sich nicht um eigene Titel der healthstyle.media GmbH handelt, stellen wir hier sog. Affiliate-Angebote vor. Das bedeutet, dass wir eine Provision erhalten, wenn du über diese Links etwas kaufst. Handelt es sich bei dem Link um einen Link zu amazon, so verdienen wir als amazon-Partner an qualifizierten Verkäufen. Für dich entstehen dabei keine zusätzlichen Kosten.

Kommentare sind deaktiviert

Wir stellen vor:

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige